Am „Tag des offenen Denkmals“ der Stiftung Denkmalschutz am Sonntag 11. September 2022 hat der Oberbilker Geschichtsverein „Aktion Oberbilker Geschichte(n)“eine Führung veranstaltet. Über 30 Personen haben daran teilgenommen. Wir haben das Motto der Stiftung Denkmalschutz „KulturSpur“ mit dem Thema „Wohnen in Oberbilk – von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute“ aufgegriffen. Nach den Rückmeldungen zu urteilen, ist das bei den Teilnehmer:innen auf Interesse gestoßen. Die Spur des Wohnens durch die Geschichte bis heute zu verfolgen, ist nicht nur spannend, sondern auch lehrreich.
Die Idee war, neben baulichen Zeugnissen auch Zeitzeug:innen zu Wort kommen zu lassen. Gerade diese persönlichen Schilderungen wurden von den Teilnehmer:innen sehr positiv aufgenommen. Frau Ute Pannes, die allen aus unserem Video (siehe weiter unten auf dieser Seite) bekannt sein dürfte, hat sehr lebendig vom Wohnen im Bunker unter dem Oberbilker Markt erzählt, so wie sie es als Kind in den Jahren 1947/48 erlebt und aus den Schilderungen ihrer Mutter übernommen hat. Der 2019 verstorbene, in Oberbilk geborene Schriftsteller Dieter Forte kam durch Brigitta Buchmann zu Wort, die Passagen aus seinem Werk vorgetragen hat.* Forte schildert in seinen autobiographisch gefärbten Romanen u.a. auch, wie die Menschen unmittelbar nach Kriegsende bemüht waren, sich in den Trümmern wieder halbwegs wohnlich einzurichten. Bernadette Calasse hat in Welt der Oberbilker Hinterhöfe eingeführt.* Dabei wurde eine bemerkenswerte Kontinuität der gewerblichen, handwerklichen, heute auch künstlerischen Nutzung der Hinterhöfe deutlich. Die Hinterhofstruktur ist historisch durch die in den ersten Jahrzehnten noch völlig ungeplante Bebauung entlang der Straßen, später auch planmäßig als Blockrandbebauung entstanden. Zum Schluss hat Khalifa Zariouh, Initiator des Maghreb-Maifests an der unteren Ellerstraße und ein wichtiger Vertreter der marokkanischen Community in Oberbilk, sehr anschaulich vom Ankommen der damals so genannten „Gastarbeiter“ in den 1970er Jahren berichtet, vom anfänglichen Wohnen im Keller und in überbelegten Wohnungen – die Kontinuität mit den Erfahrungen früherer Zuwanderergenerationen war beindruckend.
Die Kombination aus Vortrag, einer gedruckten Handreichung für alle Teilnehmer:innen (siehe den Link unten) und Zeitzeug:innen-Erzählungen, die wir in dieser Form erstmals ausprobiert haben, hat sich sehr gut bewährt. Zeitlich war das Programm etwas zu ambitioniert. Auf den letzten Programmpunkt, die Entwicklung auf dem Grand Central-Gelände in der Nähe des Hauptbahnhofs, mussten wir deshalb verzichten. Die Umnutzung ehemaliger Industrieflächen für Wohnzwecke hatten wir schon am Bsp. des Neubauprojekte „Schöffenhöfe“ in der Mindener Straße thematisiert, beim Grand Central wäre es dann darum gegangen, dass diese Flächen inzwischen auch in den Fokus der Immobilienspekulation geraten sind – eine Entwicklung, die man sich vor 20 Jahren noch nicht hätte vorstellen können.
Mit den Häusern der ehemaligen Aders’schen Wohnungsstiftung in der Monheimstraße (aber auch mit dem Bsp. der noch existierenden Wohnungsgenossenschaften) haben wir schließlich auch eine Thematik aufgegriffen, bei der man von historische Beispielen auch sehr viel für die Gegenwart lernen kann: Der Aders’schen Stiftung war es möglich, für die damalige Arbeiterbevölkerung preiswerteren Wohnraum als die private Konkurrenz zu bauen: Die Wohnungen in den Häusern der Aders’schen Stiftung waren i.d.R. größer und besser ausgestattet, die Baukosten waren deshalb auch höher als in der privaten Wohnungswirtschaft, und trotzdem konnte die Stiftung ihre Wohnungen günstiger als die privaten Hausbesitzer anbieten! Möglich war das, weil die Aders’sche Wohnungsstiftung nicht profitorientiert, sondern (wie auch die Genossenschaften) nach dem Prinzip der Kostendeckung gewirtschaftet hat! Es lohnt sich also, beim heutigen Nachdenken über bezahlbare Alternativen zur markt- und profitorientierten Wohnungswirtschaft und -politik auch einen Blick in die Geschichte zu werfen.
Unter dem folgenden Link können die Stationen und die Handreichung für die Teilnehmer:innen heruntergeladen werden:
https://www.dropbox.com/sh/gpsezwk0l68v6k3/AAB0fCic2iI_MSE1Q_t0RQffa?dl=0
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*Brigitta Buchmann und Bernadette Calasse veranstalten im Rahmen des Projekts „Stadtteil-Guides“ des Runden Tisches Oberbilk selbst Führungen in Oberbilk zu den Themen „Auf den Spuren von Dieter Forte“ und „Hinterhöfe in Oberbilk“.