Wie ist Puschkin nach Oberbilk gekommen?

Von Helmut Schneider

Der Oberbilker Markt wird als Platz durch die Kölner Straße in zwei Teile getrennt. Auf dem kleineren, nördlichen Teil vor dem Bürogebäude „Central Park Offices Düsseldorf“ steht ein Denkmal des russischen Schriftstellers Alexander Puschkin (1799-1837), der in seiner Heimat als der bedeutendste Nationaldichter gilt. Zu seinen Lebzeiten gab es das Industrie- und Arbeiterviertel Oberbilk allerdings noch gar nicht. Was hat Puschkin mit Oberbilk zu tun? Warum wird er auf dem Oberbilker Markt mit einem Denkmal geehrt?

Das Bürogebäude mit seiner außergewöhnlichen Gestaltung wurde von einem russischen Architekten entworfen und 1994 fertiggestellt. Und zu diesem damals „Haus der Wirtschaft und Industrie“ (HWI) genannten Gebäude gehörte auch der Vorplatz mit dem Puschkin-Denkmal. Das HWI wurde im Zuge der politischen Öffnung der Sowjetunion gegenüber dem Westen unter Präsident Michail Gorbatschow als sowjetisches Handelszentrum und „Schaufenster“ nach Europa geplant. Es sollte in Oberbilk Teil des sehr ambitionierten, aber am Ende gescheiterten Konzepts werden, auf der Industriebrache nordöstlich der Kölner Straße ein „Internationales Handelszentrum“ (IHZ) zu etablieren. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden diese Pläne allerdings hinfällig. Kurzzeitig wurde das Gebäude noch als russisches „Ost-West-Haus der Wirtschaft und Industrie“ genutzt. Nach dem Rückzug der russischen Partner firmierte es nur noch als „Haus der Wirtschaft“, inzwischen heißt es „Central Park Offices Düsseldorf“. Eine wirtschaftliche Verbindung mit Russland existiert nicht mehr.

Mit dem Denkmal für Puschkin wurde auch symbolisch der Anspruch der damaligen Sowjetunion zum Ausdruck gebracht, nicht nur militärisch und ökonomisch, sondern auch kulturell als Großmacht zu gelten. Heute kann das Denkmal noch an die damaligen hochfliegenden politischen Pläne und städtebaulichen Konzepte erinnern, die auf einer Industriebrache in Oberbilk realisiert werden sollten. Und es zeugt noch von den großen Hoffnungen auf eine neue Ära der Verständigung zwischen Ost und West, die es nach dem Ende des Kalten Krieges in den 1990er Jahren gegeben hat.

Quelle: Glebe, Günther/Schneider, Helmut (1998): Going Global? Städtebaulicher Wandel in Oberbilk. In: Glebe, Günther/Schneider, Helmut (Hrsg.): Lokale Transformationsprozesse in der Global City. Düsseldorf-Oberbilk – Strukturwandel eines citynahen Stadtteils. Düsseldorf, 89-128. (Düsseldorfer Geographische Schriften, Heft 37).