Historischer Ort: Der Oberbilker Markt

Von Dieter Sawalies

Der Oberbilker Markt gilt als Mittelpunkt, gar als das Herz Oberbilks. Seit 1874 ist er als rechteckige Aufweitung der Bogenstraße und einem annähernd quadratischen Marktplatz in den Stadtplänen erkennbar. Um 1900 wurde der Platz durch eine meist viergeschossige Bebauung eingefasst, die ältere Bebauung ist vollständig verschwunden. Die nahegelegene, im Jahr 1872 geweihte katholische Josefskirche zählt deswegen zu den ältesten noch existierenden Bauwerken Oberbilks. Die evangelische Christuskirche, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Oberbilker Markt, wurde 1899 fertiggestellt. Die Bevölkerungszunahme im Stadtteil, bedingt auch durch die Zuwanderung Arbeitsuchender aus protestantisch geprägten Räumen, hatte den Bau einer evangelischen Kirche erforderlich gemacht.
Der Oberbilker Markt entwickelte sich zum Mittelpunkt des Arbeiterviertels. Allerdings war die Geschlossenheit des Platzes von Anfang an durch die Verkehrsachsen der Kölner und Kruppstraße gestört. Später kamen eine Eisenbahnlinie und dann eine Straßenbahntrasse hinzu. Auf der Eisenstraße verliefen bis 1891 in der Mitte zwischen den beiden Fahrwegen die Trasse der „Cöln-Mindener Eisenbahn“, die weiter über den Markt hinaus in die heutige Mindener Straße einmündete. Bis dahin gab es nur eine befestigte Straße, die Chaussee von Düsseldorf nach Benrath, die heutige Kölner Straße. Ansonsten existierten nur Feldwege, die später zu Straßen wurden, wie unter anderem die Ellerstraße. Am Beginn der industriellen Entwicklung zählte man in der Flur Oberbilk etwa 30 bebaute Grundstücke, auf die sich Anfang des 19. Jahrhunderts die gesamte Bevölkerung Oberbilks verteilte. Der Stadtteil wuchs mit der fortschreitenden Industrialisierung, es entstanden zahlreiche Handwerksbetriebe und Fabriken. Arbeiterwohnungen wurden neben der Bahnlinie und der noch ländlich geprägten Bebauung errichtet. Die Kruppstraße und die Werdener Straße wurden in den 1890er Jahren, als die Gleise der Köln-Mindener Bahnlinie aufgegeben und entfernt wurden, schrittweise zweispurig ausgebaut.

Im Zentrum nahe der Kreuzung stand eine große Straßenuhr im Jugendstil, wie etwa heute noch auf der Königsallee am Corneliusplatz. Auf dem Marktplatz befand sich ein kioskähnliches Milchbüdchen mit spitzem Turm. Es war kein Schmuckplatz, nicht vergleichbar mit anderen Plätzen im Stadtbezirk, an denen ein repräsentativer Kirchenbau dominiert, wie etwa der Kirchplatz oder der Josefsplatz. Es war auch keine „grüne Lunge“ wie der Lessingplatz oder eine durch historische Freiraumplanung geprägte Anlage wie der heute denkmalgeschützte Fürstenplatz in der Friedrichstadt. Der Oberbilker Markt hatte nie den Charakter eines ‚richtigen‘ Platzes, eher war es ein Verkehrsknotenpunkt, zwischen Handwerksbetrieben, Fabriken und Wohnbauten an den Bahngleisen und der Kölner Straße gelegen. Nicht ohne Grund kommt in der Ortsbezeichnung das Wort „Platz“ gar nicht vor. Über die Benennung des Oberbilker Marktes führt Hermann Kleinfeld (1996) in seinem Standardwerk über „Düsseldorfs Straßen und ihre Benennung“ aus: „Obwohl der Platz seit der Jahrhundertwende unter diesem Namen allgemein bekannt ist und auch als Markt genutzt wurde, erscheint er erst ab 1955 in den Adressbüchern.“

Gleichwohl war der Oberbilker Markt aber auch ein geschichtsträchtiger Ort. Für die im Industrie- und Arbeiterviertel Oberbilk starke sozialistische Arbeiterbewegung spielte der Platz eine wichtige Rolle. Während der Novemberrevolution 1918/19 war der Stadtteil eine Hochburg des Spartakusbundes, aus dem später die KPD hervorging. Am 12. und 13. April 1919 hatten aufständische Arbeiter auf dem Oberbilker Markt Barrikaden errichtet. Der Aufstand wurde jedoch durch das berüchtigte paramilitärische „Freikorps Lichtschlag“ blutig niedergeschlagen. Dabei wurde auch Artillerie eingesetzt. Rund 40, nach anderen Berichten bis zu 50 Menschen kamen bei dieser Militäraktion ums Leben.

Auch danach und bis heute war und ist der Oberbilker Markt Schauplatz politischer und gewerkschaftlicher Aktionen und Demonstrationen. Hier fanden unter anderem die Kundgebungen zum 1. Mai, dem Feier- und Kampftag der sozialistischen Arbeiterbewegung statt. Das Fest des Heiligen Joseph, dem Namensgeber der nahegelegenen katholischen Josephskirche und Schutzpatron der Arbeiter, feierte man in Oberbilk nicht wie andernorts üblich am 19. März, sondern am 1. Mai – die gewerkschaftliche Maifeier und das religiöse Fest des Heiligen Joseph am selben Tag zu begehen, erschien an diesem Ort vollkommen naheliegend und wurde nicht als Gegensatz empfunden. Das Arbeiterviertel war lange auch ein Bollwerk gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Noch im Jahr 1933 kam es auf dem Oberbilker Markt zu einer Protestkundgebung gegen die Nazi-Partei.

Der Stadtteil Oberbilk blieb während des Zweiten Weltkriegs nicht von Bombenangriffen verschont. Viele kriegswichtige Rüstungsbetriebe und der Hauptbahnhof machten das Quartier zu einem wichtigen Ziel alliierter Luftangriffe. Aber noch bevor die schweren Flächenbombardements Düsseldorf erreichten, wurde am 13. Oktober 1941 ein britischer Bomber abgeschossen, der in einen Häuserblock im Bereich Kruppstraße – Oberbilker Markt – Eisenstraße einschlug, diesen verwüstete und zahlreiche Opfer forderte. Was zu dieser Zeit noch Schaulustige anzog, sollte sich wenig später zur prägenden Realität Oberbilks und der gesamten Stadt entwickeln. Bei späteren Luftangriffen wurden große Teile Oberbilks, auch rund um den Oberbilker Markt einschließlich der Josefskirche, schwer getroffen. Obwohl die Industrieanlagen und der Bahnhofsbereich wichtige Ziele alliierter Bombenangriffe waren, war der Zerstörungsgrad geringer als etwa im Innenstadtbereich. 50% der Wohnungen mussten als Totalverluste gelten, 35% blieben unzerstört.

Kurz nach Kriegsende wurden um den Oberbilker Markt die zerstörten und schwer beschädigten Häuser abgerissen und machten einfachen Wohngebäuden, Werkstätten, Abstellflächen und einer Tankstelle Platz. Der Wiederaufbau Oberbilks konnte Anfang der 1960er Jahre als abgeschlossen gelten. In den 1980er Jahren erhielt der Oberbilker Markt durch den Neubau der Zweigstelle der Stadtsparkasse an der Westseite ein moderneres Gesicht. 1988 wurde auch der Platz selbst neu gestaltet. In den Folgejahren gingen von der Neubebauung der Industriebrache auf der gegenüberliegenden Seites des Oberbilker Marktes („Haus der Wirtschaft und Industrie“, Planung eines „Internationalen Handelszentrums“), der Errichtung eines neuen Gebäudes für das Land- und Amtsgericht an der Werdener Straße sowie dem Umbau der Werdener Straße Impulse für eine erneute Umgestaltung des Oberbilker Marktes aus. Nach einer mehrjährigen Planungs- und Umsetzungsphase wurde diese Umgestaltung dann im Jahr 2015 abgeschlossen. Man kann davon ausgehen, dass es nicht die letzte Veränderung des Oberbilker Marktes gewesen sein wird.